Was ist ein Bibelgarten?

So eine triviale Frage, könnte man meinen. Ein Bibelgarten ist ein Garten mit Pflanzen aus der Bibel. Für viele mag das als Antwort genügen.

Schaut man etwas genauer hin, stellt sich aber ganz schnell die Frage, was denn unter Pflanzen aus der Bibel zu verstehen sein soll. Und schon ist das mit der Antwort auf die simple Frage gar nicht mehr so einfach.

Fangen wir gleich einmal auf den ersten Seiten der Heiligen Schrift an. Eva gibt Adam bekanntlich einen Apfel. In Gen 3,6 steht zu lesen: "Da sah die Frau, dass es köstlich wäre, von dem Baum zu essen, dass der Baum eine Augenweide war und dazu verlockte, klug zu werden. Sie nahm von seinen Früchten und aß; sie gab auch ihrem Mann, der bei ihr war, und auch er aß."

Und wo ist nun der Apfel? In der Tat ist hier nur die Rede vom "Baum der Erkenntnis von Gut und Böse" und seinen Früchten. Ob das wirklich ein Apfelbaum war? Gab es denn 4004 v. Chr. (gemäß Ussher-Lightfoot-Kalender) im Nahne Osten überhaupt Äpfel? Es spricht jedenfalls gegen den Apfel, dass Eva offenbar gleich mehrere der Früchte aß. Immerhin befinden wir uns noch im Garten Eden, der es an nichts mangeln ließ. So ist davon auszugehen, dass die Urmutter nicht gerade unter besonderem Heißhunger litt, als sie sich auf das verhängnisvolle Gespräch mit der Schlange einlies. 

Jedenfalls gab es nach heutigem Wissen zu jener Zeit im nahen Osten keine Äpfel. Verbreitet war die zweifelsfrei auch deutlich verführerischere Aprikose mit Ihrer samtigen Haut. Da gäbe es aber noch den Granatapfel und auch über die Quitte (von Pfälzern auch als Paradiesapfel bezeichnet) wird als "Baum der Erkenntnis" spekuliert. 

Immerhin macht es uns dann der gleich folgende Vers Gen 3,7 etwas leichter: "Da gingen beiden die Augen auf und sie erkannten, dass sie nackt waren. Sie hefteten Feigenblätter zusammen und machten sich einen Schurz." Hier haben wir also die erste namentlich genannte Pflanze in der Bibel. 

Wenn wir versuchen, uns die Szene vorzustellen, so befand sich der Ort, an dem die mühsalbeladenen Menschheitsgeschichte ihren Lauf genommen hat, in unmittelbarer Nähe des unheilbringenden Baumes. Aus Gründen der Feigenblattlogistik liegt somit die Schlussfolgerung nahe, dass es sich bei dem Baum, von dem wir nun wissen, dass es kein Apfel war, vielleicht um eine Feige handelte.

Wir können jedenfalls jetzt bereits festhalten, dass eine Beschäftigung mit den Bibelpflanzen bei Menschen, die sich mit trivialen Antworten nicht zufrieden geben, für reichlich Erkenntnis sorgen kann.

Im Bibelgarten Sankt Martin sind Apfel, Granatapfel und Feige vertreten. Wird also schon passen! Der liebe Gott, der mutmaßlich ein gütiger ist, wird unser Engagement sicher höher bewerten, als die Frage, ob wir immer zu 100% richtig liegen.

Erfreulicher Weise liefert uns die Genesis auch eine passende Öffnungsklausel, nicht im Kleingedruckten, wo solcherlei heutzutage gerne in Verträgen versteckt ist, sondern ganz prominent im ersten Kapitel, Vers 11 und 12: "Dann sprach Gott: Das Land lasse junges Grün wachsen, alle Arten von Pflanzen, die Samen tragen, und von Bäumen, die auf der Erde Früchte bringen mit ihrem Samen darin. So geschah es. Das Land brachte junges Grün hervor, alle Arten von Pflanzen, die Samen tragen, alle Arten von Bäumen, die Früchte bringen mit ihrem Samen darin. Gott sah, dass es gut war."

Durch diesen kühnen Rundumschlag sind kurzerhand alle Pflanzen per se Bibelpflanzen. Obgleich wir von dieser Ausrede nur in äußersten Notfällen Gebrauch machen.

Ganz bibelfeste könnten nun gegen unseren Abgesang auf den biblischen Apfel auch argumentieren, dass dieser doch, wenn schon nicht bei Adam und Eva, an anderer Stelle Erwähnung findet. In der Tat, z.B. im Hohelied, Kapitel 2,3: "Wie ein Apfelbaum unter den wilden Bäumen, so ist mein Freund unter den Söhnen. Ich sitze unter dem Schatten, des ich begehre, und seine Frucht ist meiner Kehle süß."

Abgesehen von der Tatsache, dass dieses Bild vom Apfelbaum so gar nicht zum Baum der Versuchung passt, weist diese Feststellung auf eine ganz andere Problematik hin: Nach Stand heutiger Wissenschaft wurde die Bibel nicht in deutscher Sprache verfasst. Wir haben es bei den Zitaten immer nur mit einer Übersetzung zu tun. Ob die genannte Frucht die genaue Entsprechung aus dem Originalschriften wiedergibt, darf in einigen Fall bezweifelt werden.

Das ist unter anderem der Tatsache geschuldet, dass einige der Bibelpflanzen den Übersetzern bzw. ihrem Kulturkreis schlicht unbekannt waren und ganz pragmatisch durch vergleichbare heimische Gewächse ersetzt wurden. Johann Wolfgang von Goethe reimte hierüber sogar in seinem "Gedicht zum Palmsonntag":

Im Vatikan bedient man sich
Palmsonntags echter Palmen.
Die Kardinäle beugen sich
und singen alte Psalmen.
Dieselben Psalmen singt man auch,
Ölzweiglein in den Händen,
Muss im Gebirg zu diesem Brauch
Stechpalmen gar verwenden.
Zuletzt, man will ein grünes Reis,
So nimmt man Weidenzweige.
Damit der Fromme Lob und Preis
auch im geringsten zeige.

Ist Ilex, wie die Stechpalme auch heißt, nun eine Bibelpflanze oder nicht? Er ist jedenfalls in unserem Bibelgarten zu finden. Dem besonders milden Klima, dessen wir uns in der Südpfalz stets erfreuen können, ist es aber zu verdanken, dass hier auch einige Palmen wachsen. Wir schlagen sozusagen eine Fliege mit zwei Klappen.

Was also sind Bibelpflanzen? 

Zunächst haben wir solche, die namentlich in den zugänglichen Urtexten der Bibel entweder genannt werden, oder auf die durch Produkte, die genannt werden, sicher rückgeschlossen werden kann.

Auf eine weitere Gruppe von Pflanzen lässt sich aus dem Kontext heraus mehr oder weniger sicher ein Rückschluss ziehen, ohne dass sie namentlich genannt würden. Es muss ja nicht immer der Baum der Erkenntnis sein.

Dann gibt es noch eine unzählige Anzahl von Pflanzen, die zu biblischen Zeiten in Kleinasien heimisch waren, es aber nicht in die kanonische Bibel geschafft haben. Wir wollen Sie einfach einmal apokryphe Bibelpflanzen nennen, auch wenn sie höchstwahrscheinlich auch nicht in den apokryphen Schriften zu finden sind. Möchte man sich ein Bild von der Flora in den biblischen Regionen machen, kommt man auch um diese Gruppe nicht herum. 

Nun wenden wir den Blick vom Heiligen Land weg, hin zu deutschen Landen. Denn auch Gewächse, die Ihren Weg in die deutsche Bibelübersetzung gefunden haben oder als biblische Pflanze angesehen wurden, haben eine gewisse Aufmerksamkeit bedient.

Mit der letzten Pflanzengruppe bewegen wir uns zwar noch weiter von den wahren Bibelpflanzen weg, aber keine Sorge, wir befinden uns immer noch auf sicherem christlichem Terrain. Eine ganze Reihe heimischer Pflanzen sind von symbolischer oder liturgischer Bedeutung, was sich oftmals schon an der Namensgebung erkennen lässt. Auch diese haben es daher verdient, berücksichtigt zu werden.

Wie so oft sind also auch bei der Frage nach Bibelpflanzen die Dinge so eindeutig nicht, wie sie vielleicht auf den ersten Blick erscheinen. Jeder der rund 160 Bibelgärten in Deutschland steht daher vor der Aufgabe, seine eigene Interpretation und Auswahl zu treffen.


Beliebte Posts aus diesem Blog

Der Bibelgarten am 25.10.2020

Kulinarische Weinprobe der Bibelgärtner